Erinnern Sie sich noch an den kleinen Übersetzer in meinem Kopf? Ich habe ja schon angedeutet, dass er nicht alleine lebt. Er teilt sich den Platz mit einem gewissen kleinen Lektor. Leider ist dieser kleine Lektor ein ziemlich anstrengender Mitbewohner – er ist laut, manchmal sogar sehr laut, nervt permanent und ignoriert die Tatsache, dass er klein ist, geflissentlich. Und Miete zahlt er auch nicht. Auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt hätte er nicht die geringste Chance. Aber er wohnt ja in meinem Kopf – gut für ihn. Schlecht für mich. Denn wenn der kleine Lektor das Ruder übernimmt, macht er aus mir einen Sprachtaliban. Einen Grammatiknazi. Den Pingel vom Dienst. Die Person, die in Ungarn die „deutsche“ Version der Speisekarte liest (ja, die Anführungszeichen sind in dem Fall wirklich gerechtfertigt) und als einzige lachend unter dem Tisch liegt, als der Kellner die Bestellung aufnehmen will. Nicht falsch verstehen – ich hatte Spaß, aber meiner Schwiegerfamilie, die mit mir am Tisch saß, war das ziemlich peinlich. Sprachbanausen – die haben wohl alle keinen kleinen Lektor. Zumindest hat meiner Humor.
Zuhause mache ich mich, äh, macht der kleine Lektor mich übrigens ständig unbeliebt. Denn selbst mitten im leidenschaftlichsten Streit höre ich mich plötzlich sagen: „dem, es heißt dem, nicht den. Dativ!!“ Der ansonsten wirklich immer ganz wunderbare Mann an meiner Seite starrt mich verzweifelt an: „Jetzt hör mir doch mal zu!“ Tue ich ja. Leider ein bisschen zu gut.
Apropos Speisekarten – die sind für den kleinen Lektor wirklich ein Hauptnahrungsmittel. Denn ich habe auch in Deutschland noch nie eine fehlerfreie Speisekarte gesehen. Noch nie! Auch in deutschen Restaurants nicht. Selbst wenn die Karte auf alle anderen einen guten Eindruck macht, entdecke ich den Tippfehler. Den Grammatikfehler. Den falschen Zeilenumbruch. Soweit, so gut. Das wirklich Schlimme daran ist aber, dass der kleine Lektor, dieser Terrorist, mich jedes Mal zwingt, alle anderen am Tisch auch darauf hinzuweisen. „Haha, habt Ihr den Fehler gesehen?“ – „Welchen Fehler?“ – „Na, der lustige Tippfehler bei der Suppe. Da steht Zucchini Suppe, statt Zucchinisuppe. Sogar der Bindestrich fehlt. Hahaha.“ – Betretenes Schweigen. Hm. Man muss wohl in meinem Kopf wohnen, um das lustig zu finden.
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